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Persönlich

Es ist eine Frage des Vertrauens

Als Juristin weiss ich, dass der Staat nur das tun kann, was das Gesetz von ihm verlangt, bzw. ich weiss, dass ich ein Gesetz konsultieren kann und dadurch (mehr oder weniger) die Handlungen einer Behörde und die Gründe dafür verstehe. Wäre ich Ingenieurin, würde ich wahrscheinlich auch besser verstehen, warum ich heute noch durch den Gotthard-Autobahntunnel fahren kann, obwohl am 10. September 2023 Betonteile auf die Strasse gefallen sind. Als normale Bürgerin muss ich anerkennen, dass ich oft denen vertrauen muss, die mehr wissen als ich, wie in meinem Beispiel dem Bundesamt für Strassen.

Beim Staat ist es also so, dass ich manches von alleine verstehe, manches hingegen nicht, es muss aber immer jemanden geben, der mir das staatliche Handeln erklären kann. Wie steht es da mit den Nachrichtendiensten? Diesen Diensten wird manchmal vorgeworfen, sie seien wie ein „Staat im Staat“, weil bestimmte Aktivitäten nicht bekannt werden dürfen, so als hätten sie eine Macht, die sonst keine Behörde hat. In der Tat ist diese Macht der Geheimhaltung keine Kleinigkeit.

Wenn man sich anschaut, was die Nachrichtendienste tatsächlich tun, wird schnell klar, dass die Geheimhaltung in erster Linie ein Arbeitsinstrument ist. Könnten die Nachrichtendienste in bestimmten Kontexten nicht mit verdeckten Mitteln und Methoden agieren, wäre ihr Handeln nutzlos.

«Natürlich geht mit dieser Macht eine grosse Verantwortung einher»

Natürlich geht mit dieser Macht eine grosse Verantwortung einher. Wer kann mir versichern, dass man die Geheimhaltungsbefugnis nicht für betrügerische oder egoistische Zwecke wie die Befriedigung von Gier und Machtstreben missbraucht?

Der Schweizer Gesetzgeber weiss seit langem, dass diese Macht einer starken Kontrolle unterworfen werden muss. Insbesondere die Geschäftsprüfungsdelegation unseres Parlaments ist seit 1992 mit der parlamentarischen Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten betraut. Mit der Verabschiedung des neuen Nachrichtendienstgesetzes im Jahr 2015, das 2016 vom Volk angenommen wurde, wollte der Gesetzgeber die Aufsicht weiterentwickeln, indem er eine unabhängige Aufsichtsbehörde einrichtete, die sich aus Spezialisten zusammensetzt.

Dieses System, bei dem ein parlamentarisches Gremium mit einer unabhängigen Behörde kombiniert wird, entspricht der Wahl, die praktisch alle westlichen Demokratien getroffen haben. Es stellt eine wichtige Legitimation für die Nachrichtendienste dar. Sie werden sowohl von einem parlamentarischen Gremium kontrolliert, das die verschiedenen politischen Sensibilitäten repräsentiert und mit denen sich jeder Bürger und jede Bürgerin identifizieren kann als auch von Fachleuten, wie denen, die ich leite und die Ihnen mit diesem Bericht ihre Arbeit vorstellen.

Die Nachrichtendienste sind in fast keiner Hinsicht mit dem Bundesamt für Strassen vergleichbar, ausser vielleicht in Bezug auf das Vertrauen. Die Nachrichtendienste brauchen das Vertrauen der Bürger, um zu funktionieren, genauso wie die Bürger die Nachrichtendienste brauchen, um von einem gewissen Mass an Sicherheit zu profitieren.

«Die Aufsicht der von mir geleiteten Behörde besteht darin, besonders komplexe und heikle Tätigkeiten zu überwachen, ihre Risiken oder Fehler zu erkennen und die erforderlichen Korrekturmassnahmen zu empfehlen. Als Aufsichtsbehörde können wir nicht Geheimnisse der Nachrichtendienste preisgeben, aber wir können in sie Einblick nehmen und in gewissem Masse darüber berichten.»

Die Aufsicht der von mir geleiteten Behörde besteht darin, besonders komplexe und heikle Tätigkeiten zu überwachen, ihre Risiken oder Fehler zu erkennen und die erforderlichen Korrekturmassnahmen zu empfehlen. Als Aufsichtsbehörde können wir nicht Geheimnisse der Nachrichtendienste preisgeben, aber wir können in sie Einblick nehmen und in gewissem Masse darüber berichten.

Die unabhängige Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten legt daher ihren aktuellen Tätigkeitsbericht vor, damit jede Bürgerin und jeder Bürger beurteilen kann, ob sie Vertrauen haben können.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre!

Prisca Fischer, Leiterin der AB-ND

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